Simon Castets in Conversation with Linda Lämmle | Handelszeitung

Oct 20 2016


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«Unser Budget hat sich verdoppelt»

Simon Castets Das Swiss Institute erobert New York. Ein Gespräch mit dem jungen Direktor, der das Institut bereits seit drei Jahren erfolgreich führt.

Es ist ein heisser Sommermorgen in New York. Die Strassen vom Quartier Tribeca wachen um 10 Uhr 30 erst auf, als ich um die Ecke der Franklin Street biege. Auf einer hohen Türe steht in goldenen Lettern die Nummer 102. Ein diskretes Schildchen über der Klingel ist der einzige Hinweis, dass ich am richtigen Ort bin: Das Swiss Institute musste nach fünf Jahren Residenz an der Wooster Street in SoHo seine alten Quartiere verlassen und ist momentan als nomadisches Institut unterwegs. «Wir nennen es Swiss In situ», erklärt mir Simon Castets, der amtierende Direktor des Swiss Institute.

Sie waren 27 oder 28 Jahre alt, als Sie den Direktorenposten von Gianni Jetzer übernommen haben.

Simon Castets: Ich war 29. Ich lebe jetzt seit beinahe zehn Jahren in New York und kam oft als Besucher ins Swiss Institute. Ich bewunderte das Programm und Gianni ist ein Freund von mir. Es ist mir eine Ehre, dass Swiss Institute zu führen.

Waren Sie auch dank Ihrem Studium an der Columbia-Universität in New York und der Sciences Po in Paris gut auf den Job vorbereitet?

Ich habe einen Master in Cultural Management und einen Master in Curatorial Studies. Wissen aus beiden Bereichen – einerseits der Kunstgeschichte und anderseits auch einen Sinn fürs Management – zu haben, hilft sehr. Die meiste Zeit verbringe ich aber mit institutionellen Problemen. Und doch schätzte ich mich glücklich, viel Zeit mit unserem Kuratorenteam verbringen zu können und Ausstellungen zu planen.

Institutionelle Probleme?

Wir sind eine «Non for profit»-Organisation und verdanken 25 Prozent unseres Budgets der Unterstützung durch Pro Helvetia. Den Rest bestreiten wir mit der Unterstützung von zahlreichen Stiftungen, führenden Schweizer Firmen und privaten Spendern. In den letzten fünf Jahren ist das Swiss Institute rasant gewachsen. Unser Budget hat sich verdoppelt. 2015 operierten wir mit 1,1 Millionen, für 2016 hatten wir 2,2 Millionen Dollar zu Verfügung.

Worauf führen Sie dieses Wachstum zurück?

Der Umzug des Swiss Institute an die Wooster Street läutete damals eine neue Ära für das Institut ein: Durch die grossen Schaufenster wuchs unsere Sichtbarkeit und mit ihr die Fussgängerfrequenz.

Das Swiss Institute feiert dieses Jahr seinen 30. Geburtstag. Können Sie etwas über die Entstehungsgeschichte erzählen?

Eine Gruppe von Schweizer Expats gründete das Institut vor genau 30 Jahren. Sie war eine Mischung aus Künstlern und Gleichgesinnten, die sich fragten: Die Franzosen machen es, die Deutschen machen es, die Italiener machen es, weshalb ist die Schweiz nicht mit einem kulturellen Institut in New York präsent? Das Institut ist seither kontinuierlich gewachsen.

Wie interpretieren Sie als Direktor den nationalistischen Anspruch des Swiss Institute?

Das Swiss Institute zeigte von Beginn an nicht nur Schweizer Künstler, sondern unterschiedliche Positionen aus Japan, Polen, Amerika und der ganzen Welt. Es geht darum, relevante, zeitgenössische Kunst aus einer schweizerischen Perspektive zu zeigen.

Ihr Programm bietet auch vielen jungen Künstlern die Möglichkeit, ihre Arbeit in New York zu zeigen. Mir gefällt die Ausstellungsreihe «One for All» sehr gut.

Nicht etablierte Künstler zu fördern, ist uns ein wichtiges Anliegen: Das Konzept der Ausstellungsserie «One for All» ist es, jungen Künstlern ihre erste New Yorker Einzelausstellung zu gewähren. Die Idee hatten wir, als wir das Programm im Hinblick auf das 30. Jubiläumsjahr zusammenstellten: Wir blickten in die Ausstellungsgeschichte des SI und sahen, dass inzwischen etablierte Schweizer Künstler wie Urs Fischer, aber auch Amerikaner wie Jordan Wolfson ihre ersten Solo-Ausstellungen in NewYork im Swiss Institute hatten. Mit der «One for All»-Serie wollten wir diese Tradition sozusagen in einen institutionellen Rahmen übersetzen und fortführen.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Ich habe gehört, es stehen grosse Veränderungen für das Swiss Institute bevor …

Maja Hoffmann hat sich bereit erklärt, Fabienne Abrecht als Vorsitzende des Board of Trustees abzulösen. Mit ihr war den weitere neun Trustees, alles führende Experten auf ihrem Gebiet, an Bord kommen: Bice Curinger, Matthias Dettling, Alexandra Economou, SamKeller, Lisa Schiff, Dominique Lévy, Christian Marclay, Michael Ringier und Iwan Wirth stossen zu uns.

Haben Sie bereits eine neue Location für das Swiss Institute gefunden?

O ja.

Ich sehe, Sie freuen sich…

Die Tinte auf dem Papier ist gerade erst getrocknet: Wir haben eine super Location in 38 St. Marks Place. Sie ist auf drei Stockwerke verteilt und etwas grösser als unsere ehemalige Location an der Wooster Street. Wir eröffnen im Frühling 2017 und werden auch eine Dachterrasse zur Verfügung haben. Im Umkreis von einer halben Meile befinden sich etliche wichtige kulturelle Institutionen: Das New Museum, die Cooper Union und das Poetry Project befinden sich alle unweit dieser lebendigen, vielfältigen Nachbarschaft.

Wie wird dieser Umzug die Stellung des Swiss Institute verändern?

Wir werden viel Raum zum Wachsen haben. Wir erwarten einen drastischen Anstieg der Fussgängerfrequenz. Alle unsere Ausstellungen, Lesungen, Talks und Konzerte werden dem Publikum kostenlos zugänglich sein. Mit diesem Umzug beginnen die nächsten 30 Jahre des Swiss Institute und ich fühle mich sehr geehrt, Teil dieses Prozesses zu sein.